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Kinder in Babyklappen werden nie wissen, wer ihre Eltern sind

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Hat da soeben ein Ethikrat eine realitätsblinde Entscheidung getroffen, führt er nur abstrakte rechtliche Argumente an, wo es doch um das Überleben von Kindern geht? So klingen viele Reaktionen auf die Stellungnahme des Ethikrats zu den Babyklappen. Und das mag auf den ersten Blick ja auch empören, schließlich klingt die Betonung der Wichtigkeit für Kinder, über ihre Abstammung zu erfahren, doch reichlich befremdlich, wenn es doch darum geht, dass Kinder überhaupt überleben, nur dann kann sich ihnen später die Frage nach ihrer Herkunft stellen.

Man bekommt schon bei dieser unvollständigen Zusammenfassung des Problems eine Ahnung, warum eine Bewertung der Stellungnahme des Ethikrats so schwer ist. Eben so schwer, wie überhaupt eine Haltung zu Babyklappen schwer ist. Auf den ersten Blick haben diejenigen, die sie einrichten und betreuen, alle guten Argumente auf ihrer Seite. Kinder können überleben, die anderenfalls Opfer der Verzweiflung ihrer Mütter würden. Jeder Einwand dagegen steht darum unter dem Verdacht, nur juristisch oder theoretisch zu argumentieren, wenn es doch um das nackte Überleben geht.

Niemand kann die gute Absicht derjenigen, die Babyklappen bereitstellen und betreuen, infrage stellen. Und auch der Ethikrat macht das nicht. Aber er stellt die Frage, ob wir denn in irgendeiner Weise einen Beleg dafür haben, dass Babyklappen tatsächlich Kinder retten.

Denn wenn dieses Ziel nicht erreicht wird, dass müssen wir uns fragen, ob nicht Kinder in diese Klappen gelegt werden, die darum für den Rest ihres Lebens mit der Hypothek leben müssen, nicht zu wissen, woher sie kommen. Das für eine große Hypothek zu halten, ist kein biologistisches Argument, keins, das die Familie überhöht – sondern es beachtet nur, was wir aus der Adoptionsforschung gelernt haben, dass es nämlich außerordentlich wichtig ist für Menschen zu wissen, woher sie kommen. Das muss sie nicht daran hindern, später ein schwieriges oder gar ablehnendes Gefühl ihren Eltern gegenüber zu haben, aber vor allem müssen sie überhaupt eine Haltung gegenüber den eigenen Vorfahren haben können.

Deshalb lohnt es sich, sehr genau hinzuschauen, ob Babyklappen tatsächlich Leben retten können oder ob sie nur Müttern die Möglichkeit geben, sich einer schwierigen Schwangerschaft zu entledigen (oder Männern, Mütter dazu zu zwingen). Bislang gibt es jedenfalls keine Hinweise darauf, dass verzweifelte und psychisch nicht mehr wirklich zurechnungsfähige Mütter durch Babyklappen daran gehindert werden, ihr Kind zu töten. Denn das findet immer nur in außergewöhnlichen Krisensituationen statt, Situationen, in denen solche Hilfsangebote die Mütter gar nicht mehr erreichen.

Die Kinder, die in Klappen gelegt werden, haben Mütter, die ebenfalls in einer außerordentlich schwierigen Situation sind, die ihre Neugeboren aber nicht getötet hätten. Und für diesen Fall muss doch die Frage gestellt werden, ob es nicht andere Wege gibt, die Geburt für Kinder in solchen Situationen zu erleichtern, dafür aber nicht den Preis zu bezahlen, dass die Kinder nie wieder erfahren können, woher sie kommen.

Diese Frage hat der Ethikrat uns allen gestellt. Wir tun gut daran, uns die Mühe der Antwort zu machen. Muss man den Frauen ermöglichen, ihr Kind fürs erste anonym zu gebären, kann das Jugendamt helfen durch Betreuung, die einschließt, die Identität der Mutter nicht preiszugeben, welche Möglichkeiten muss es geben, dass Frauen solche Angebote auch annehmen? Diese und weitere Fragen müssen geklärt werden. Es wird sich weisen, dass die Antwort nicht in Babyklappen liegen kann.


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